Leseprobe "Grabesstimme"

 

 

Wenn Freundschaft tödlich endet

 

In Memoriam Julia D.

 

Sie war noch ein Kind, als es begann.

Achtausendfünfhundert Tage lang zerriss sie stumm der menschliche Mann.

Einzig, allein der Vater reichte ihr die Hand,

doch auch er kam gegen den Sturm nicht an.

 

Im zarten Alter von elf Jahren erzählte sie einer Freundin.

„Ich glaube, ich fühle mich zu Frauen hingezogen,

sie zu lieben scheine ich geboren.

Verabscheust du mich nun, weil ich anders bin?“

 

Natürlich verneinte sie diese Frage,

doch hinterm Rücken fing der Mund an zu erzählen,

lud fremde Leute ein, das Mädchen zu quälen.

Mitgefühlstarb an diesem Tage.

 

Übliche Gerüchte wurden gestreut

und obwohl sie versuchte zu fliehen,

schienen die Worte nicht zu besiegen.

Ich frage mich, ob es jemand bereut.

 

Sie war viel zu jung, als sie starb,

als sie dort hing, fiel ein Stern hinab

und erhellte kurz die finstere Nacht.

Nun ruht sie friedlich im Grab.